Für Sie gelesen: Naomi Klein, Die Entscheidung – Kapitalismus vs Klima

Der Klimawandel stellt eine große Krise dar, die eine Art Marshallplan erfordert. Wenn die Erwärmung von 2 Grad C überschritten wird, liegt es nicht mehr in unserer Kontrolle, wo die Quecksilbersäule stehenbleibt (Bericht der Weltbank von 2012). Viele etablierte Klimaanalytiker gehen davon aus, dass wir uns auf eine Erwärmung von 4-6 Grad einstellen müssen (Internationale Energieagentur 2011, PricewaterhouseCoopers 2012). Der Globalisierungsprozess mit den internationalen Handelsabkommen mit Privatisierung, Deregulierung und Senkung der Unternehmenssteuern steht den Anforderungen des Klimawandels jedoch diametral gegenüber. Deshalb haben vor allem die fossilen Industrien (Erdöl, Gas, Kohle) bereits Ende der 60er Jahre begonnen, Institute zu gründen, die den Klimawandel leugnen und deren Vertreter zum einen zu kaufen, zum anderen zu bekämpfen.

Mit den Ergebnissen der Weltklimakonferenz in Toronto 1988 wäre für die Regierungen der reichen Länder genügend Zeit geblieben, fossile Brennstoffe durch nachhaltige Energien zu ersetzen und so den CO2-Ausstoß schrittweise zu reduzieren und diese Entscheidungen auch in die globale Handelsarchitektur einzubinden. Dies ist nicht geschehen. Wesentliche Ursache dafür war der Fall der Mauer, der einen extremen Marktliberalismus nach sich zog. So wurde der notwendige Wertewandel von egoistisch und wettbewerbsorientiert zu egalitär und kooperativ nicht vollzogen und das Verhältnis zur Natur als getrennt und nicht verbunden gesehen.

Die weltweiten Handelskooperationen dominieren seither den Klimaschutz durch die die Bevorzugung fossiler Industrien, die zudem noch enorme Subventionen erhalten und wesentlich weniger Arbeitsplätze als die erneuerbaren Energien schaffen. Sie bewirken die schnelle Globalisierung der Landwirtschaft, was eine der Hauptursachen für den Gesamtanstieg der Treibhausgasemissionen ist. Schmutzige Produktion wird ins Ausland verlegt und damit die nationale Klimabilanz der reichen Länder geschönt.

Um die jetzige Situation positiv zu wenden, muss die CO2-Einsparung sorgfältig gemanagt und müssen sofortige Strategien der Wachstumswende eingeleitet werden. Maßnahmen wie billiger öffentlicher Nahverkehr, Investitionen in die Infrastruktur, energieeffiziente Sozialwohnungen, die an den Nahverkehr angebunden sind, Radwege, nachhaltige Landwirtschaft helfen, diesen Prozess gerecht zu gestalten. Eine Regulierung der Unternehmen, höhere Steuern für die Wohlhabenden, hohe öffentliche Ausgaben und Rücknahmen der Privatisierung von Kernbereichen lokaler Wirtschaft und von Energieunternehmen sind nötig. Erfahrungsgemäß sind Privatunternehmen und Strommärkte nicht in der Lage, im erforderlichen Maß in Erneuerbare zu investieren. Seit 2009 gibt es einen Fahrplan, wie der weltweite Energiebedarf bis zum Jahr 2030 vollständig aus Wind, Wasser und Sonnenenergie gewonnen werden könnte.

Die Fossilindustrie wird ihren Beitrag zur Energiewende nur durch gesetzliche Vorgaben leisten. Maßnahmen dazu sind eine CO2-Steuer, höhere Lizenzgebühren für die Öl-, Gas- und Kohleförderung sowie die Anwendung des Verursacherprinzips – auch für große Erdölverbraucher wie die Armee und die Waffenindustrie, die Autohersteller sowie die Schiff- und Fluggesellschaften. Die etwa 500 Millionen Reichsten auf der Welt sind für ungefähr die Hälfte der globalen Emissionen verantwortlich, weshalb die Besteuerung der Spitze der Einkommen sinnvoll und notwendig ist. Weitere Maßnahmen sind die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die Schießung von Steuerparadiesen, die Kürzung der Militärhaushalte und das Auslaufen der Subventionen für die Fossilwirtschaft. Mit diesen Maßnahmen würden über 2 Billionen Dollar pro Jahr gewonnen, mit denen die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen vollzogen werden können. Dies ist nur mit einer langfristigen staatlichen Planung möglich, die den Lobbyinteressen die Stirn bietet.

Die amerikanische BlueGreen Alliance, ein Zusammenschluß von Gewerkschaften und Umweltschutzorganisationen, hat einen Plan vorgelegt, wonach bei einer jährlichen Investition von vierzig Milliarden Dollar in öffentliche Verkehrsmittel und Hochgeschwindigkeitszüge über sechs Jahre hin weg mehr als 3,7 Mio Arbeitsplätze entstehen würden. Investitionen in öffentlichen Nahverkehr schafft 31% mehr Jobs als Investitionen in den Bau neuer Straßen und Brücken. Investitionen in die Reparatur und den Unterhalt bestehender Straßen und Brücken schaffen 16 % mehr Jobs als Investitionen in den Bau neuer Straßen und Brücken.

Gefracktes Erdgas bewirkt mindestens 30 % höhere Methanemissionen und ist insofern gleichauf mit Kohle und umweltbelastender als Erdöl. Fossilkonzerne müssen ständig nach neuen Quellen suchen, um die Reserven-Erneuerungsrate und damit ihren Marktwert auf hohem Niveau zu halten. Um gegenzusteuern, müssen Politik und NGOsgegen Macht und Lobbyismus der Konzerne geschützt werden. Viele NGOs jedoch erhalten Spenden der Fossilindustrie. Der Handel mit Emissionszertifikaten muss kritisch analysiert werden. Geo-Engineering leitet in die falsche Richtung, weil sie sich nur mit den Folgen des Klimawandels beschäftigt, und macht den Planeten zu einem Monster.

Die zunehmenden Umweltkatastrophen bringen die Menschheit näher zusammen, früher nur in entlegenen Gemeinden, durch das Fracking jedoch in unmittelbarer Nachbarschaft. Mehr als 15 Mio Amerikaner leben inzwischen nur eine Meile von einem Brunnen entfernt, der für Fracking genutzt wird oder wurde. Obwohl Leckagen an den Rohren ca. 16 Mal häufiger bei Fracking als gewöhnlich auftritt werden dieselben Schutzforderungen gestellt. Dadurch entstanden Blockade-Bewegungen wie auch das Divestment, der Verkauf von Beteiligungen an Fossilunternehmen, der sich bereits über 300 Schulen und Universitäten der USA und zunehmend auch Städte und Stiftungen angeschlossen haben. Auch die Transition Town Bewegung zeigt, wie immer mehr Bewegung von unten entsteht. Das einzig wirklich Nachhaltige ist der Umgang miteinander und mit der Natur.

Der Norden ist weit weniger von den Umweltproblemen betroffen als der Süden. Etwa ein Drittel aller Treibhausgasemissionen stammt aus Gebäuden durch Heizen, Kühlen und Beleuchtung, und der Gebäudebestand im asiatisch-pazifischen Raum soll bis 20121 um 47 % zunehmen, während er in den Industrieländern relativ stabil bleibt. Wir sollten dazu zusammenarbeiten und uns auf den Süden konzentrieren.

Unfruchtbarkeit und Erkrankungen bei Kindern sind Warnsignale. Das derzeitige Wirtschaftssystem würdigt die Fortpflanzungsarbeit der Frauen wie der Natur insgesamt nicht. Wir müssen zu einer regenerativen Einstellung zurückkehren und den Genius des Ortes wieder befragen. So wie das Recht auf Sklaverei abgeschafft wurde, muss nun das Recht auf Ausbeutung der Erde ein Ende nehmen. Dies ist ein Kampf der Weltanschauungen, Gegenseitigkeit statt Dominanz, Kooperation statt Hierarchie, Wechselbeziehungen statt Individualismus. Auf welcher Ebene der Kampf geführt wird, entscheidet sich konkret.