Startseite » Frieden » „Unerbittlich wirkender Mechanismus“

„Unerbittlich wirkender Mechanismus“

Buchbesprechung: „Unterwegs zum Ersten Weltfrieden“ – Zeitpunkt-Ausgabe 171.

Frieden ist derzeit kaum ein Thema wert. Stattdessen gestaltet sich jeder Tag, jede Woche kriegerischer. Das stellte Marion Schneider, die seit November 2022 bei der Partei Freie Wähler Thüringen als Stellvertretende Vorsitzende fungiert, im Dezember in einem Interview eindringlich klar: „Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine findet sozusagen vor unserer Haustür statt. Führende Politikerinnen und Politiker in unserem Land glauben, dass die Ukraine tatsächlich gegen Russland gewinnen kann, weil sie ja so viele Waffen bekommt. Dass wir uns selbst damit ein riesen Pulverfass schaffen und damit in die Luft fliegen können, ist uns anscheinend nicht bewusst. Keiner redet mehr von Friedensverhandlungen. Und unsere Medien erweisen sich dabei leider als Hauptkriegstreiber.“

Mutiges Plädoyer für den Frieden

In diesen hoffnungslosen Zeiten liefert der Schweizer Verlag „edition Zeitpunkt“ mit seiner aktuellen Ausgabe ein mutiges Plädoyer für den Frieden. „Es reicht nicht, nur den Krieg verhindern zu wollen. Wir müssen auch konkret etwas für den Frieden tun.“ Diesem Grundsatz hat sich Herausgeber Christoph Pfluger mit seinem Heft unter dem Titel „Unterwegs zum Ersten Weltfrieden“ verschrieben: Ungleichheit sei der größte Faktor, der in der Geschichte immer wieder zu Kriegen, Revolutionen und Staatsversagen geführt habe. Entschuldung sei der entscheidende erste Schritt zur Beseitigung dieser Ungleichheit. Zudem hätten wir mit unbezahlbaren Schulden keine Zukunft.

Der 1954 geborene Autor stieg 1979 in den freien Journalismus ein. Verlegerisch ist er seit 1988 zunächst mit dem Newsletter „Die neue Wirtschaft“, bei dem er das Prinzip der freien Abo-Beiträge erprobte, tätig. Auf ein Intermezzo als Chefredakteur des Wochenmagazins „Diagonal“, der Tageszeitungen „Der Bund“, „Bieler Tagblatt“ und „Solothurner Zeitung“ (1989/90) folgte 1992 die Gründung des Zweimonatsmagazins „Zeitpunkt“, das er bis heute herausgibt, und bei dem die Leserinnen und Leser ihren Abo-Beitrag frei bestimmen. Neben zahlreichen Artikeln über Aspekte des Geldsystems sind die beiden Bücher „Das nächste Geld“ und „Geld verstehen“ erschienen. Der Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt, erklärt seine Motivation wie folgt: „Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen.“

In Zeitpunkt-Ausgabe 171 stellt Pfluger das Konzept des Ersten Weltfriedens vor. Die Anthologie vereint darüber hinaus weitere Autoren-Beiträge zu friedenspolitischen Themen.

Um den gegenwärtigen Krieg zu verstehen, müsse man die großen Linien und die maßgeblichen Kräfte der Geschichte erkennen. Und da nimmt nach Auffassung von Christoph Pfluger das Geld eine hervorragende, alles bestimmende Rolle ein. Es formt die Tätigkeiten und den Austausch fast aller Menschen, es regelt die Beziehungen aller Firmen und es definiert die Verhältnisse zwischen den Staaten.

In seinem Leitbeitrag beschreibt der Herausgeber den heimtückischen, langsam und unerbittlich wirkenden Mechanismus, der sich im Geldsystem und dem Zins versteckt: „Was viele nicht wissen: Nicht der Staat, nicht die Zentralbanken stellen unser Geld her, sondern die privaten Banken – rund 90 Prozent. Wie machen sie das? Die kürzeste und klarste Antwort liefert die Schweizerische Nationalbank auf Seite 19 ihrer Broschüre ´Die Nationalbank und das liebe Geld`: ´Die Banken schöpfen Geld, indem sie Kredite verleihen`. „Sie verleihen also nicht das Geld der Sparer, wie sie ständig behaupten, sondern schreiben Geld, das es vorher nicht gegeben hat, als Zahl ins Konto der Kreditnehmer. Mit dieser Zahl können sie dann bezahlen, wie wenn es richtiges Geld wäre, für das andere hart arbeiten müssen.“

Form der Geldschöpfung mit fundamentalem Fehler

Diese Form der Geldschöpfung habe einen fundamentalen Fehler: „Es entsteht dabei nur ein neues gleichbleibendes Guthaben, das in Zirkulation geht, nicht aber die Geldmenge, die zur Tilgung nötig wäre: Kreditsumme plus Zins und Zinseszins. Es hat also immer zu wenig Geld im System, um alle Schulden zu bezahlen. Und die Lücke tut sich ständig weiter auf.“

Das unlösbare Problem dieser Form der Geldschöpfung werde vom Bankensystem mit einer Maßnahme „gelöst“, die das Problem verschärfe, bis es uns um die Ohren fliege: durch die Verleihung immer neuer Kredite. Damit könnten zwar die aktuellen Fälligkeiten geregelt werden, aber es vergrößere die Lücke zwischen Schulden und der Geldmenge zu ihrer Bezahlung immer weiter. „Aktuell stehen wir bei weltweit 300 Billionen Dollar expliziten Schulden“, rechnet der Autor vor. „Es gibt noch mindestens so viele implizierte Schulden und nur rund 40 Billionen Dollar Geld, mit dem man tatsächlich Rechnungen bezahlen kann, Bargeld und Bankguthaben.“

Die Schulden seien per saldo also unbezahlbar. „Die Grenze der Unbezahlbarkeit ist allerdings unscharf und von der Massenpsychologie der Spieler im Finanzcasino abhängig. Solange man die Geldmenge ohne gravierende realwirtschaftliche Konsequenzen erhöhen kann, wird in blinder Zuversicht weitergespielt – die von den Zinserhöhungen der letzten Monate allerdings spürbar abgekühlt wurde. Solange man einem überschuldeten Land noch seine Ressourcen abnehmen oder die staatliche Leistungen zusammensparen oder privatisieren kann, gilt es noch nicht als insolvent, zumal es im Gegensatz zum Privatrecht im Völkerrecht keine Insolvenzregeln gibt. Und solange sich ein hochverschuldetes Land – die höchsten Schulden haben die USA – andere Länder dienstbar und tributfähig machen kann, besteht immer noch ein gewisses Vertrauen in seine Währung. Aber: Das Ende des Spiels ist zwingend. Keine Macht der Welt kann die Mathematik überwinden.“

„Die USA sind das höchstverschuldete Land der Erde, Russland ist das reichste an Ressourcen, China an Arbeitskraft.“

Mit dieser Dynamik des Geldes erklärt der Autor kurz gesagt den schärfer werdenden Konflikt zwischen den USA als führender Kraft des westlichen Finanz- und Wirtschaftssystems und Russland und China, die sich diesem Hegemonialstreben entgegenstellen: „Die USA sind das höchstverschuldete Land der Erde, Russland ist das reichste an Ressourcen, China an Arbeitskraft.“ Gleichzeitig beklagt Christoph Pfluger die „Erosion der nationalstaatlichen Souveränität und die Zerstörung der Demokratien durch das internationale Finanzkapital, das… immer mehr nationale, lokale und individuelle Belange seiner Kontrolle unterwirft, von den Inhalten der Medien über private Kommunikationen (z.B. in den ´sozialen` Medien) bis hin zur Gesundheitspflege (Impfzwang).“

Schuldenerlass, Umverteilung und ein neues, gerechtes Geldsystem definiert der Autor als Schritte zum Ersten Weltfrieden. Angesichts der derzeitigen realen Verhältnisse erscheint diese Vision kaum verwirklichbar. Dazu stellt der Autor unmissverständlich fest: „Wir sind Teilnehmer eines globalen Kettenbriefs, der nach wie vor zu funktionieren scheint. Aber, liebe Freunde: Wenn wir dem Spiel nicht vor seinem Zusammenbruch ein Ende setzen, wird es ungemütlich, um es freundlich auszudrücken. – Wer Klartext bevorzugt: es wird grausam und für viele tödlich.“

Es wird höchste Zeit, dass wir endlich wieder über Frieden sprechen. Allein das macht diese Lektüre empfehlenswert. Mit Kriegen können wir die Probleme auf dieser Welt nicht lösen. Damit machen wir alles nur noch schlimmer.

Jörg Schuster

Titel: „Unterwegs zum Ersten Weltfrieden“- Zeitpunkt-Ausgabe 171 (November 2022/ Januar 2023)

Herausgeber: Zeitpunkt, Werkhofstraße 19, CH-4500 Solothurn

Sprache: Deutsch

Umfang: 128 Seiten, Paperback

Preis: 15,00 Euro