Von Maria Koch, Heilpädagogin und Sonderschullehrerin, Lehrtätigkeit in DE und CH
„Kinder im Netz globaler Konzerne“ – diese Analyse trifft auch auf die deutsche Bildungslandschaft zu: Noch früher als in der Schweiz wurden hier die nahezu gleichen „Schulreformen“ umgesetzt; wenn auch teilweise unter anderen Namen; wie zum Beispiel unter dem wohlklingenden Versprechen „Gemeinschaftsschule“. Allen voran gingen Länder wie Bremen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg – mit entsprechend katastrophalen Ergebnissen. Trotzdem ziehen inzwischen sogar Baden-Württemberg und Bayern voll mit, obwohl diese Länder mit den erfolgreichsten Bildungsergebnissen glänzen konnten. Zuletzt wurden die neuen Bundesländer damit beglückt: Zwar kritisierten auch hier vor der Wende Bürger das Schulsystem, hauptsächlich wegen der ideologischen Indoktrination. Viele wollten das nicht mehr. Bildung war eines der wichtigsten Themen zur Zeit des großen Aufbruchs. Mit der Diskussion war es vorbei, als der Westen den Osten „übernahm“ – und zwar auch und insbesondere in Sachen Bildung. Die in Westdeutschland bereits umgesetzten Reformen wurden „top-down“ auch Ostdeutschland übergestülpt. Inzwischen sind viele Bürger, die noch den soliden Wissensaufbau der DDR kennen, entsetzt über den Abbau von Wissen und Können bei ihren Kindern. Darum verwundert es nicht, wenn zum Beispiel Sachsen als eines der ersten deutschen Bundesländer wieder bestrebt ist, solides Lernen zu erhalten.
Für die Menschen in den neuen Bundesländern kamen diese „Reformen“ völlig überraschend und unverständlich. Der Bürger der alten Bundesländer hingegen wurden schleichend daran gewöhnt – seit den 1960er Jahren, immer ein Stück mehr. Verstanden wurde das auch hier nicht. Eine offene Diskussion fand weder hier noch dort statt und war auch nicht erwünscht – übrigens ebenso wenig in der Schweiz.
Das Buch von Judith Barben zeichnet die Entwicklungen nach und zeigt auf, wer im Hintergrund diese „Schulreformen“ – übrigens europaweit – initiiert hat und warum. Der deutsche Leser wird viele Parallelen finden. Stichwörter wie Stoffabbau, Wertebruch, Psychospiele, Aufhebung der Systematik des Stoffes, „Pisa“, „kompetenzorientiertes“ Lernen, Schreiben nach Gehör, ADHS und Ritalin, Digitalisierung – die Autorin setzt die scheinbar unzusammenhängenden Puzzleteile zusammen, sodass endlich ein klares Bild entsteht, wer was wozu will, wohin das führen soll und wie es durchgesetzt wird.
Das Buch ist spannend und flüssig geschrieben, kein „Fachchinesisch“, sondern für jedermann verständlich. Eine Lektüre, die einen mit neuem Mut erfüllt, weil man endlich versteht, was gespielt wird.