Neuigkeiten

Es gibt eine Neuigkeit: ich bin letzten Samstag auf dem Landesparteitag der Freien Wähler Thüringen auf Platz 2 der Liste als Kandidatin für die Bundestagswahlen aufgestellt worden. Hierüber freue ich mich sehr. Hier findet Ihr das Bundesprogramm: Bundestagswahlprogramm 2021 | Freie Wähler (freiewaehler.eu) Gerne trete ich mit Euch in den Dialog ein, und gerne könnt Ihr auch Mitglied der Freien Wähler werden und uns unterstützen: Antrag auf Mitgliedschaft (der-moderne-verein.de)

Vor Kurzem fand ich außerdem einen handgeschriebenen Text, den ich bereits vor der Corona-Zeit geschrieben habe, vermutlich 2018. Ich finde ihn spannend, weil er eigentlich bereits sehr viel von dem erfasst, was uns mit Corona passiert ist. Ich hoffe sehr, dass Ihr ihn ebenso spannend findet:

Wer sind „wir“?

Schon seit längerem frage ich mich, ob es eine gute Idee ist, in Kategorien, die uns die BILD-Zeitung täglich vorgibt, zu denken, zum Beispiel: „wir sind der Papst“ oder „wir sind Weltmeister“. Wer ist dieses „wir“? Und wer gehört dazu? Ist es ein einschließendes oder ein ausschließendes „wir“?

„Wir Deutschen“ jedenfalls schließt schon eine Menge Leute aus – nicht nur die Mehrheit der Weltbevölkerung, sondern auch all die, die in Deutschland ohne deutschen Pass leben. Einen deutschen Pass zu erhalten, ist jedoch äußerst schwierig. Das nur mal am Rande.

Also: dieses „wir“ schließt zwar alle Deutschen ein, sehr viel mehr Menschen jedoch sind kategorisch ausgeschlossen. Dies gilt auch, wenn wir von „wir Europäer“ sprechen. Nicht alle unsere Mitbürger stammen aus Europa beziehungsweise haben einen europäischen Pass. Für all diese Probleme scheint es einen Ausweg zu geben: wir, „der Westen“. Plötzlich ist es möglich, alle einzuschließen.

Wir müssen uns nur mit „dem Westen“ identifizieren! So können sogar Menschen aus Afrika oder Asien mitmachen. Und dass „Der Westen“ Spitze ist, hören wir jeden Tag im Radio und sehen zusätzlich passende Bilder im Fernsehen. Und lesen können wir es auch jeden Tag. Dafür gibt es ja die Zeitungen.

Wir sind „der Westen“. Der Westen bedeutet „westliche Werte“: Demokratie, Meinungsfreiheit, freier Handel, Pressefreiheit, unabhängige Justiz, Trennung von Justiz und Politik sowie der Exekutive Polizei und Militär. Sie merken schon, da ist nicht alles Gold, was glänzt . Das, was „der Westen“ und insbesondere sein Bannerträger, die USA, vor sich her tragen, ist nicht unbedingt gelebte Wirklichkeit im eigenen Land.

Wäre es nur das – doch nein, alle anderen Länder sollen sich ein Beispiel nehmen und sich dem Westen anschließen – denn sonst gehören sie nicht nur nicht dazu, sondern sind auch schlechtere Länder oder Menschen. Täglich werden wir mit den Vergleichen dieser angeblich so vorbildlich durch uns geliebten Werte mit anderen Ländern, Personen oder Erdteilen bombardiert. Niemand ist besser als wir, der Westen. Haben Sie das schon bemerkt? Nur ein Beispiel à la Frühstücksfernsehen: da wurde die vorbildlich laufende Fußball – Weltmeisterschaft (in Russland – so lange ist das schon her, dass ich das schrieb) zwar gelobt, doch gleich hieß es weiter, dass in vier Wochen die Bevölkerung Russlands wieder in ihren grauen Alltag zurückfallen wird.

Selbst innerhalb der EU beginnt der Kampf um den Westen jetzt – denn Polen und Ungarn sind gar nicht richtig Westen – und nun fängt Italien auch schon an!

Wo stehen wir?

Die dargestellte Situation ist Ausdruck eines gewachsenen Unvermögens, sich miteinander zu unterhalten – so, wie es eigentlich nötig ist, um einer Unterhaltung einen Sinn zu geben: wir hören uns gegenseitig genau zu, sind begierig darauf, den jeweils anderen richtig zu verstehen, um ihm oder ihr dann qualifiziert zu antworten. Und wozu das alles? Um sich besser kennen zu lernen, gemeinsame Lösungen zu finden, eine gute Zeit miteinander zu verbringen – je nachdem. Diese Art von Unterhaltung finden wir heute nur noch selten. Wozu auch, wenn jeder schon seine oder ihre Meinung hat beziehungsweise es besser weiß und es nur noch darum geht, den oder die andere auszustechen. Das alles ist ganz normales Leben in der Postmoderne, die bedeutet, dass jede und jeder alles denken, sagen und machen kann – es sei denn, es ist gegen das Gesetz. Die Postmoderne wiederum entwickelte sich mit dem Neoliberalismus, der den weltweiten Austausch und den freien Fluss von Menschen und Waren propagiert und umsetzt. Natürlich können wir auch Kapitalismus sagen.

Der Protest

Das konnte ja nicht lange gut gehen, denke ich heute. Wenn hier jede/r machen kann, was er oder sie will. Da gibt es doch bestimmt Protest. Denken wir an all die, die Veränderungen nicht so aufgeschlossen gegenüber stehen. All die, die fester Werte bedürfen. All die, die Einheit und Einheitlichkeit suchen. Diese schließen sich jetzt zusammen und protestieren gegen die Vielfalt, die Veränderung, die Durchmischung, aber auch gegen den Egoismus, die Rohheit und die Ausbeutung. Sie fordern Werte, eine Ethik, Führung. Das geschieht derzeit in „dem Westen“. Eigentlich ein ganz normaler Prozess. Wenn wir damit umgehen könnten.

Das Versagen

Nun haben wir aber verlernt, uns zu unterhalten. In meiner Schulzeit wurde noch Dialektik unterrichtet: pro und contra und dann die Analyse. Wir wurden in der Schule herausgefordert, in Gegensätzen zu denken und durch diese Kritik und Selbstkritik zu den besten Ergebnissen zu gelangen. Heute jedoch hat das abgefragte und abfragbare Wissen selbst an den Universitäten die Dominanz erhalten. Pauken, nicht denken. Wiedergeben. Wie kann aber jemand, der oder die nicht gelernt hat, kritisch und eigenständig zu denken, in einer Unterhaltung mit einer gegensätzlich Meinungen bestehen? Eine große Herausforderung.

Ein weiterer Effekt von Menschen, die nur abgefragtes Wissen erlernten, ist die Tendenz, sich mit Gleichartigen und gleich Gesinnten zu umgeben. Dies ist nur natürlich, weil instinktiv die Angst vor einer Auseinandersetzung besteht, in der vielleicht so schnell keine Antworten zu finden sind, weil man doch gerne der/die Beste sein möchte.

Schlimm aber wird es, wenn dieser Trend auch die Politik, die Medien, die Wirtschaft befällt. Erstens können nicht mehr die besten Ergebnisse erzielt werden, die ja nur durch kritisches infrage Stellen der eigenen Position möglich sind. Zweitens entsteht Frontbildung, weil automatisch das Einstimmen in eine vorgegebene Meinung verlangt wird, um Karriere zu machen oder Entscheidungen zu fällen. Drittens wird die Wissenschaft, die Analyse durch den Glauben ersetzt, der dann irgendwann genügt, Artikel für eine Zeitschrift zu schreiben. Der Meinungsjournalismus hat sich in den letzten Jahren rasant ausgebreitet, zumal die Medien immer weniger Geld für eigene Recherchen zur Verfügung haben.

So ist das völlige Versagen – im wahrsten Sinne des Wortes – der Politik gegenüber den aufgekommenen nationalistischen, aber auch politisch kritischen Strömungen in Deutschland zu erklären. Die Politik versagt den Kritikern den Dialog. Man spricht nicht miteinander. Die herrschenden Parteien weigern sich, mit der AfD zu reden. Ein unerhörter Vorgang, weil diese Partei doch von einem beachtlichen Teil der Bevölkerung gewählt wurde. Man spricht also auch nicht mit diesem Teil der Bevölkerung.

Die Politik

Wenn du nicht die Meinung von uns, dem Westen hast, dann gehörst du nicht zu uns. Vielleicht reden wir noch mit dir. Je nachdem, wie salonfähig du bist und immer dann, wenn wir unbedingt müssen. Aber eigentlich wollen wir unter uns bleiben und einfach nur dafür sorgen, dass möglichst viele uns nacheifern. Aber was hat „der Westen“ zu bieten?

Eine Auflösung der Werte, der Strukturen, der Grenzen, einen Verfall der Sitten, eine Verrohrung der Menschlichkeit, Armut und Verfall der Bildung. Eine Politik, die sich zunehmend mit den wirtschaftlich Herrschenden verquickt und dagegen keine Grenzen setzt. Eine Politik, die genau dadurch eine Politik gegen die Interessen der absoluten Mehrheit der Bevölkerung wird.

Gerade in Deutschland ist der Mittelstand die entscheidende, treibende, Sicherheit verschaffende Kraft des Landes. Doch dieser wird genauso wie der Rest der Bevölkerung durch Steuern, Abgaben, Gebühren, Kontrolle, Regeln und Verordnungen ausgesaugt, um das so gewonnene Geld den Konzernen und dem raffenden Staat selbst zuzuleiten. Jedes Jahr verstärkt sich diese Tendenz.

Durch ihre bedenkenlose Verquickung mit der Wirtschaft ist die Politik inzwischen zu einer Getriebenen geworden. Ein Plan ist ihr abhandengekommen. Wie kann man planen, wenn man nicht mehr sagen kann, für wen oder was man Politik macht? Das Volk, der Mittelstand, die Natur, die Zukunft sind zu einer Bedrohung geworden, gegen die man sich abschotten muss. Denn warum sonst ging die herrschende Politik nicht zu den Montags – Demonstrationen 2014/15, die Menschen bundesweit auf die Straße brachten?

Ich weiß noch genau, wie diese begannen. Jeder konnte hingehen und seinen oder ihren Kommentar ins Mikrofon sprechen. Meistens ging es um den Protest gegen den Putsch in der Ukraine und die Sorge um den Frieden. Sie hießen anfangs auch Friedens – Demos. Bald werden sie zu Foren, wo alle sagen konnten, was sie bedrückte. Natürlich kamen dann auch extreme Anschauungen zu Gehör.

Und genau da fängt das Versagen an. Sie dürften nicht geäußert werden. Wer so etwas sagt, darf nicht mehr an das Mikrofon. Wenn diese Leute sprechen, dann gehe ich nicht mehr hin. Die Versager verließen den Platz und überließen diese den Randgruppen – das geschah an einigen Orten. An anderen Orten machten die Medien sich eine Aufgabe daraus, die extremen Meinungen in den Mittelpunkt zu stellen und damit die gesamte Montags – Demonstration zu blamieren.

Zunehmend wurden die, die für Frieden und Gerechtigkeit sprachen, in einem Atemzug mit Nationalisten und Rassisten genannt. So geschah es, dass die Montags-Demonstrationen zunehmend den radikalen Kräften überlassen blieben. Die anderen konnten sich nicht mehr sehen lassen, weil man „mit denen“ ja nicht spricht. So stand es in der Zeitung und so berichtete das Fernsehen.

Die Bevölkerung

Unsere Probleme sind nicht gelöst und werden immer dringender. Laut Naomi Kleins bahnbrechender Analyse „Die Entscheidung – Kapitalismus oder Klima“ stehen wir durch die immer noch fast grenzenlose Ausbeutung der Natur vor fast unlösbaren Herausforderungen, um unsere Erde zu erhalten. Wir stehen so nahe am Rande eines Kriegs wie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr, weil keine Regeln und Vereinbarungen mehr gelten und somit eingehalten werden.

Auf der anderen Seite haben wir in den letzten Jahrzehnten so viel erreicht. Ein vereintes Europa mit einheitlicher Währung, einen akzeptablen Wohlstand. Frieden. Den Sozialstaat. Internationalen Austausch. Viele Grenzen sind gefallen. Doch das alles reicht nicht mehr. Wir benötigen qualifizierte Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen. Wir benötigen einen bürgerfreundlichen Nah – und Fernverkehr. Wir benötigen Umweltschutz in allen Bereichen der Gesellschaft. Wir benötigen eine Gemeinwohl-Ökonomie, Frieden, Solidarität, Gastfreundschaft. Wir benötigen Geld für die Kommunen.

Und wir brauchen eine Politik, die diese Herausforderung annimmt und meistert. Die den Dialog mit der Zivilgesellschaft führt und die Bereitschaft hat, den Bürgern zu allen Bereichen von Politik und Verwaltung Zugang zu verschaffen. Denn die Bürgerinnen und Bürger zahlen den Staat und seine Organe – und ihnen und nicht sich selbst soll Politik und Verwaltung dienen.

Gedankenspiele

Profit dominiert die Macht
Aus dem Profit entsteht die Macht
Macht steigt und fällt mit dem Profit
Machtkonzentration ist die größte Gefahr für die Demokratie und den Frieden
Wenn die Macht dem Profit folgt, muss das Volk die Macht über die Profite haben.

Die Macht folgt dem Profit
Die Macht ergibt sich aus dem Profit
Wo der Profit am größten ist, ist auch die Macht am größten.

Macht steht über Leben
Macht steht über Zukunft
Macht steht über Liebe
Macht steht über Reichtum
Macht steht über Geschäft
Macht steht über Familien
Macht steht über Blut
Macht steht über Freundschaft
Macht steht über Religion
Macht steht über Kultur
Macht steht über Ethik
Macht steht über Moral
Macht steht über Natur
Macht steht über Profit.

Wer hat die politische Macht in Deutschland?

Die politische Macht in Deutschland wird durch die Parteien ausgeübt. Die Parteien bilden die Regierung im Bund und in den Bundesländern. Die Parteien entscheiden über die Besetzung von Ministerien. Die Parteien entscheiden über die Besetzung von Medien. Die Parteien entscheiden über die Besetzung von Staatsanwaltschaften und haben auch Einfluss auf Richter und Polizei. Es gibt kaum einen Bereich, der nicht von den Parteien reguliert wird.

Ist dieses System noch zeitgemäß? Ich glaube nicht. Heute brauchen wir sehr viel mehr Bürgerbeteiligung. Hiergegen sperren sich die Parteien, weil sie sich in ihrer vollkommenen Machtausübung gefallen. Wer gibt schon freiwillig Macht auf?

Nun bin ich mit meinen Überlegungen am Ende angekommen.

Und damit ich Euch jetzt nicht so ganz plötzlich so ganz ohne Lösung verlasse, habe ich noch ein Gedicht für Euch geschrieben:

Wir kennen unser Ende nicht
Drum hat die Planung kaum Gewicht
Das Jetzt, das Heute kommt ins Licht.
 
Fragwürdig sind die vielen Sorgen
Die uns oft plagen wegen morgen.
 
Wir kennen unser Ende nicht
Drum trag‘ ein Lächeln im Gesicht!

von Marion Schneider